Achtsamkeit und Gewaltfreie Kommunikation

Achtsame Kommunikation

Beim Training von Achtsamkeit geht es darum, die Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen bewusst und ohne Wertung wahrzunehmen, um dadurch den Raum zwischen einwirkendem Reiz und der Reaktion darauf zu vergrößern. Genau diese Fähigkeit wird bei der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall Rosenberg benötigt.

Bei der Gewaltfreien Kommunikation (GfK) nach Marshall Rosenberg, mit deren Hilfe sich durch Empathie Beziehungen schützen und vertiefen lassen, sowie Konflikte kompetent gelöst werden können, spielt die Achtsamkeit und die emotionale Intelligenz ein zentrale Rolle.

Das Konzept der GfK lässt sich in vier Schritten folgendermaßen zusammenfassen:

  1. Die Situation möglichst ohne Interpretation und Bewertung wahrzunehmen,
  2. die eigenen Gedanken und Gefühle, die in dieser Situation auftreten, zu registrieren und zu benennen,
  3. die eigenen Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen erkennen,
  4. abschließend eine positive, erfüllbare Bitte zu formulieren.
Was geschieht im Einzelnen genau?

Wir praktizieren zunächst Achtsames Zuhören (eine Variante des Aktiven Zuhörens) und dann Achtsames „Nach-innen-hören“. Hier ist bereits ein großes Maß an Achtsamkeit notwendig:

  • Kann ich meinem Gesprächspartner vorurteilsfrei zuhören, ihm nicht ins Wort fallen?
  • Bin ich in der Lage auf direkte Interpretationen des Gehörten zu verzichten?
  • Schaffe ich es nicht zu bewerten oder zu urteilen?
  • Fange ich, während ich ihm scheinbar noch zuhöre, nicht schon an, mir vorgefertigte Erwiderungen bereitzulegen?
  • Gelingt es mir, bevor ich spreche, meine Gedanken, Gefühle und Körperempfindungen deutlich wahrzunehmen?
  • Kann ich die Zeitspanne, bevor ich antworte, verlängern, um mir noch achtsamer meines Kopfkinos bewusst zu werden?
  • Erkenne ich meine wahren und tiefen Bedürfnisse (an), die hinter diesen Gefühlen und Körperempfindungen stecken?

Erst nachdem ich mir über alle diese Punkte achtsam klargeworden bin, kann ich zum Achtsamen Sprechen übergehen. Dabei ist es wichtig, meine Gefühle und meine Bedürfnisse in einer Ich-Botschaft anzusprechen und dann mit einer positiv formulierten, konkreten, jetzt erfüllbaren Bitte abzuschließen.

Durch die Kombination von Achtsamen Zuhören und Achtsamen Sprechen entsteht, unter Zuhilfenahme des GfK-Konzepts, eine beide Seiten wertschätzende Achtsame Kommunikation.

Achtsamkeitstraining als Voraussetzung für gewaltfreie Kommunikation

Meine persönliche Erfahrung ist tatsächlich, dass erst eine gut entwickelte Achtsamkeit, die trainiert werden muss und kann, mich in die Lage versetzt, gewaltfrei zu kommunizieren. Erst mit Hilfe der Achtsamkeit schaffe ich es, nicht gleich meinen ersten Impulsen, die teilweise aus unbewussten Vorurteilen und Wertungen resultieren, nachzugeben. Durch solche unbewusst impulsgesteuerten „Schnellschüsse“ schaukeln sich Konfliktsituationen schnell hoch und werden verbal gewalttätig. Und hier greift dann die alte Weisheit, dass Worte, die einmal ausgesprochen wurden, nicht wieder zurückgeholt werden können.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Anwendung der GfK-Methode ein hohes Maß an Achtsamkeit erfordert. Daher ist begleitend zu einem GfK-Training in jedem Fall ein Achtsamkeitstraining sehr förderlich. Das zusammen fördert in hohem Maße die emotionale Intelligenz und damit die Fähigkeit zur Empathie, so dass Achtsame Kommunikation möglich wird.

Drei Wandlungen

Mit Achtsamkeit wird es auch möglich, folgende kommunikativen Veränderungen vorzunehmen:

  • Vom Müssen und Sollen zum Wollen: Ich bin nicht gezwungen etwas zu tun (müssen, sollen) – ich habe eine Wahl und entscheide mich bewusst für etwas, das ich will.
  • Vom Loben zum Wertschätzen: Es geht nicht darum, den Anderen zu beurteilen (Lob ist ein positives Urteil), sondern darum ihn wertzuschätzen. Welche Handlung habe ich neutral beobachtet, welche positiven Gefühle hat dies bei mir ausgelöst, welches Bedürfnis wurde erfüllt? Diese Punkte als Ich-Botschaft zu kommunizieren ist Wertschätzung.
  • Vom Entschuldigen zum Bedauern: Da Entschuldigung voraussetzt, dass jemand Schuld hat und dies auf einem Urteil beruht, wollen wir einen anderen Weg gehen. Wir wollen lieber unser Verhalten betrauern und bedauern, da wir Bedürfnisse nicht erfüllt haben.

 Literatur

Marshall B. Rosenberg: Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens (2004) Junfermann, Paderborn.

Marshall B. Rosenberg: Das Herz gesellschaftlicher Veränderung – Wie sie ihre Welt entscheidend umgestalten können (2004) Junfermann, Paderborn.

Marshall B. Rosenberg: Was deine Wut dir sagen will – Überraschende Einsichten (2006) Junfermann, Paderborn.

Dr. Peter Wolfrum